Wenn Sie einen Zug nehmen möchten, hilft Ihnen sowohl ein Bahnhof als auch eine Zigarette weiter. Dass dies so ist, liegt daran, dass in der deutschen Sprache sogenannte Homonyme existieren. Dabei handelt es sich um ein Wort, das mehrere Bedeutungen hat – wie beispielsweise Zug. Dass ein Wort mehrere Bedeutungen hat, ist nicht ungewöhnlich. Im Deutschen und genauso in vielen weiteren Sprachen existieren Wörter, die mehr als eine Sache bezeichnen: Im Spanischen bezeichnet „capital“ die Hauptstadt und den Großbuchstaben, im Englischen ist „foot“ – unter anderem – der anatomische Fuß und eine Längeneinheit.
Über gewöhnliche Homonyme hinausgehend gibt es eine kleine Gruppe so genannter Autoantonym, auch Januswörter oder Kontranyme genannt. Dabei handelt es sich zunächst ebenfalls um Homonyme. Diese haben jedoch noch eine Besonderheit: Ein Wort hat nicht einfach nur zwei Bedeutungen; die eine Bedeutung ist dazu noch das genaue Gegenteil der anderen. Ein Beispiel dafür ist das Verb „anhalten“: Denn wenn ein Zug anhält, stellt er sein Tun ein – wenn jedoch der Regen anhält, macht er weiter.
Autoantonyme sind vergleichsweise selten und in den meisten Fällen erschließt sich aus dem Textzusammenhang, welche Bedeutung nun gemeint ist. Doch wie kommt es dazu, dass ein solches Phänomen überhaupt entsteht? Mögliche Gründe gibt es mehrere: Manchmal haben heute gleichlautende Wörter unterschiedliche Ursprünge und aus Ähnlichkeit wurde im Laufe der Zeit Gleichheit. In einigen Fällen hat eine falsche oder abweichende Benutzung zur Doppelbedeutung geführt. Das Wort „Untiefe“ ist ein Beispiel für die Doppelbedeutung, die bereits in der Vorsilbe „Un-“ liegt. Diese kann sowohl verneinenden Charakter, wie zum Beispiel bei „unaussprechlich“, oder steigernden Charakter, wie bei „Unsumme“, haben. So bezeichnet eine „Untiefe“ also nautisch eine sehr seichte Stelle eines Gewässers und umgangssprachlich gleichzeitig eine besonders große Tiefe.
Deutsch ist natürlich nicht die einzige Sprache, in der Autoantonyme existieren. Übersetzer müssen sich also auskennen. Ein Beispiel aus dem Englischen ist das Verb „dust“: Dieses kann sowohl bedeuten, dass eine Oberfläche von Staub befreit wird, als auch, dass sie bestäubt wird (z. B. mit Mehl). Ein Vertreter lateinischer Januswörter ist „profundus“ – je nach Bedeutung ist der Begriff mit „hoch“ oder „tief“ zu übersetzen. Die Untiefen der Sprache sind manchmal schwer zu umfahren – und „umfahren“ ist übrigens ebenfalls ein Januswort.
Linktipp: Ein Video mit einigen weiteren Beispielen aus der englischen Sprache findet sich auf Youtube: