Wer einen Text übersetzt, muss oft recherchieren. Je tiefer in einen bestimmten Fachbereich ein Text geht, desto komplexer ist der Recherchevorgang. Oft werden sehr spezifische Begriffe verwendet, die sich nur in Nuancen von ähnlichen Begriffen unterscheiden. Der Übersetzer braucht also sowohl profunde Kenntnis des Themas als auch die richtigen Quellen sowie das Können, beides für ein optimales Ergebnis miteinander zu verknüpfen. Doch was unternimmt ein Übersetzer, wenn es einfach keinen passenden Begriff in der Zielsprache gibt?
Das Fehlen eines Begriffes kann in Fachtexten genauso wie in Literatur und Werbung vorkommen. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Neue Entwicklungen aus Technik und Forschung haben zunächst einmal keine Bezeichnung. Vor der Erfindung des „Computers“ gab es zum Beispiel kein Wort dafür. Mit seiner Erfindung wurde ein – in diesem Fall bereits in anderem Zusammenhang bestehender – Begriff geprägt. Sobald eine Entwicklung sich dann durchsetzt, setzt sich mit ihr das Wort dafür durch: Es entsteht ein sogenannter Neologismus. Anerkennung finden solche neuen Wörter aus sprachlicher Sicht dadurch, dass sie in ein Wörterbuch aufgenommen werden. Der Computer beispielsweise steht seit 1967 im Duden, der Laptop seit 1991.
Doch neben solchen Lücken, die kurz nach ihrem Auftreten quasi von selbst verschwinden, gibt es auch Lücken, die Bestand haben. Das Phänomen, dass es für bestimmte Sachverhalte einfach kein Wort gibt, nennt sich „lexikalische Lücke“. Im Deutschen gibt es beispielsweise keine Bezeichnung für den Zustand, nicht durstig zu sein. In einem Wettbewerb zur Suche eines Wortes hierfür schaffte es im Jahr 1999 das Wort „sitt“ an die Spitze, durchgesetzt hat es sich jedoch bis heute nicht. Ein Beispiel einer lexikalischen Lücke im Englischen findet sich bei Bezeichnungen für Familienmitglieder: Anders als bei den Begriffspaaren „brother/sister“, „mother/father“, „son/daughter“ und weiteren gibt es für „cousin“ nur eine Form, die nichts über das Geschlecht der Person aussagt.
Wie ein Übersetzer mit einem nichtexistenten Begriff umgeht, ist vom Kontext abhängig. Er kann den ausgangssprachlichen Begriff stehen lassen und gegebenenfalls erklären oder versuchen, ein Wort zu erschaffen. Solche Einmalschöpfungen oder Gelegenheitsbildungen können gerade in der Literatur oder in der Werbung sogar ein wirksames Stilmittel sein. Und vielleicht schaffen sie es vom einmaligen Phänomen zum Neologismus inklusive Anerkennung durch den Duden.