Dolmetscher übertragen gesprochene Sprache in eine andere Sprache. In vielen Fällen ist eine davon die Muttersprache, denn in der Muttersprache überträgt es sich leichter und meist besser als in eine Fremdsprache. Daher wird auch beim Übersetzen regelmäßig das Muttersprachenprinzip angewendet, um Qualität zu sichern. Auch wenn das Prinzip nicht unumstritten ist, ist es doch ein Qualitätsindikator. Es gibt aber auch Dolmetscheinsätze, bei denen keine der gedolmetschten Sprachen die Muttersprache ist. Hierbei handelt es sich dann um Querdolmetschen. Ob und inwiefern es sinnvoll ist, einen Querdolmetscher einzusetzen, beleuchten wir in diesem Artikel.
Welche Arten des Dolmetschens gibt es?
Grundsätzlich unterscheidet man beim Dolmetschen in vier unterschiedliche Arten:
- Simultandolmetschen
- Konsekutivdolmetschen
- Flüsterdolmetschen (Unterart des Simultandolmetschens)
- Verhandlungsdolmetschen oder Gesprächsdolmetschen (Unterart des Konsekutivdolmetschens)
Querdolmetschen bezieht sich nicht auf eine Art des Dolmetschens, sondern auf die dabei genutzten Sprachen. Beim Querdolmetschen ist keine der Arbeitssprachen die Muttersprache, stattdessen wird von einer Fremdsprache in eine zweite Fremdsprache gedolmetscht. Das mag Vorteile haben, kann aber auch gravierende Nachteile mit sich bringen.
Warum einen Querdolmetscher engagieren?
Sind auf einer Veranstaltung Teilnehmer mit unterschiedlichen Muttersprachen anwesend, kann auf eine gemeinsame Arbeitssprache zurückgegriffen werden. Angenehmer ist es häufig, wenn Dolmetscher zur Verfügung stehen, denn in der eigenen Muttersprache lassen sich auch komplizierte Sachverhalte oft besser ausdrücken als in einer Fremdsprache. Wer also ohne fundierte Sprachkenntnisse in einer Fremdsprache Vorträge halten soll, tut sich oft schwer: Der Beitrag verliert an Tiefe oder wirkt einstudiert. Der Dolmetscher hingegen ist darin geschult, Inhalte in eine andere Sprache so zu übertragen, dass der Sinn bei sprachlicher Korrektheit erhalten bleibt.
Er kann darüber hinaus Rücksicht auf kulturelle Gepflogenheiten oder gar Tabus nehmen und sorgt für eine reibungslose (sprachliche) Kommunikation. Da diese Arbeit sehr anstrengend ist, wechseln sich bei längeren Einsätzen mehrere Dolmetscher ab.
Ein Dolmetscher, der nicht nur die Muttersprache, sondern eine weitere Fremdsprache – oder sogar mehrere – anbietet, kann natürlich eine größere Anzahl an potenziellen Kunden betreuen. Auf einer Veranstaltung, die unterschiedliche Sprachen „beinhaltet“, wird möglicherweise eine geringere Anzahl an Dolmetschern benötigt, wenn einer von ihnen mehr als eine Fremdsprache anbieten kann. Für den Veranstalter kann das Kostenersparnis bedeuten.
Weniger Dolmetscher vor Ort bedeuten auch weniger Technik, die eingesetzt werden muss. Es werden weniger Dolmetscherkabinen und Mikrofone benötigt oder es müssen weniger Plätze für Dolmetscher bereitgehalten werden.
Welche Qualität bietet das Querdolmetschen?
Während beim Dolmetschen in die oder aus der Muttersprache eine gewisse Qualität vorausgesetzt werden kann, ist das bei zwei Fremdsprachen nicht immer der Fall. Die eigene Muttersprache wird von Kindesbeinen an erlernt und bietet Sicherheit und Schnelligkeit. Außerdem ist die Kultur vertraut und die sprachliche Varianz ist meist höher als bei Fremdsprachen. Fachliche Zusammenhänge sind möglicherweise in Fremdsprachen geschulter, allerdings kann es gerade beim Übertragen zwischen zwei Fremdsprachen zu Hürden kommen, die bei der Kombination Fremdsprache/Muttersprache nicht auftauchen.
Die Gefahr beim Querdolmetschen besteht darin, dass ein Dolmetscher beide Fremdsprachen nicht gut genug beherrscht, um auch Feinheiten sicher und verlässlich wiedergeben zu können. Das kann auch daran liegen, dass ein Sprecher vom Dolmetscher nicht ausreichend verstanden wird (beispielsweise aufgrund eines starken Akzents oder der Geräuschkulisse im Saal), sodass nicht gedolmetscht, sondern eher geraten wird. Je schlechter die Fremdsprachen- oder Fachkenntnisse sind, umso eher leidet die Qualität der Dolmetschleistung.
Einfluss der beteiligten Sprachen
Häufig ist eine der beiden Fremdsprachen Englisch, denn viele Konferenzen oder Fachtagungen finden auf Englisch statt. Sind nun Konferenzteilnehmer mit anderen Muttersprachen und möglicherweise geringen Englischkenntnissen anwesend, können diese die Qualität der Dolmetschleistung nicht bewerten. Sie wissen oft gar nicht, welche Informationen sie nicht oder verfälscht erhalten haben.
Viele Dolmetscher und Übersetzer mit dem Sprachenpaar Deutsch-Englisch können aber keine weiteren Fremdsprachen bieten. Solche, die vorrangig in anderen Sprachen als dem Englischen arbeiten, verfügen aber möglicherweise nicht über Englischkenntnisse auf „Dolmetschniveau“. So steigt das Risiko, an irgendeiner Stelle einen Qualitätsverlust zu erleiden.
Ein weiteres Problem sind seltene Sprachen. Hier herrscht oft ein Mangel an qualifizierten Dolmetschern (und Übersetzern), denn oft wird in diesen Sprachen keine fundierte Ausbildung angeboten. Autodidakten können gute Dolmetscher sein, hier sollte sich aber besser auf Referenzen und Empfehlungen verlassen werden.
Fokussierung der Sprachdienstleister
Als weiteres Problem sehen Experten die mangelnde Unterscheidung von Dolmetschern und Übersetzern. Die meisten Studiengänge in Deutschland heißen „Übersetzen und Dolmetschen“ oder „Mehrsprachige Kommunikation“. Das Dolmetschen ist oft nur ein (kleiner) Teilbereich des Studiums.
Viele Übersetzer bieten also das Dolmetschen als weitere Leistung an, sind aber oft nicht darauf spezialisiert oder in regelmäßiger Übung. Es gibt aber entsprechende Aus- und Weiterbildungen. Wer plant, einen Dolmetscher zu beschäftigen, sollte also auf Referenzen und Qualifikationen achten. Denn selbstverständlich gibt es auch Querdolmetscher, die in zwei oder sogar mehr Fremdsprachen hervorragende Arbeit leisten. Das schlägt sich dann aber auch oft im Preis nieder.
Quellen:
Anne-Kathrin D. Ende: Qualitätsverlust durch Globalisierung? In: MDÜ 3/2008, S. 24-26.