Beim Stöbern im Übersetzerportal uepo.de stieß ich auf die Schilderung eines Diplomübersetzers, die meines Erachtens die aktuelle Situation auf dem Übersetzungsmarkt gut beschreibt. Er arbeitet in einem Unternehmen, das ein Nischenprodukt anbietet und früher eine eigene kleine aber feine Übersetzungsabteilung hatte. Als deren Mitarbeiter nach und nach in Rente gingen, wurden die frei gewordenen Stellen nicht neu besetzt. Die einzige übrig gebliebene Übersetzerin hatte nun die Aufgabe, alle anfallenden Übersetzungen an Freiberufler weiterzuleiten. Da somit keine Zeit mehr für eine ordentliche Terminologiepflege war, kein Geld für ein Translation Memory System ausgegeben werden sollte und die Deadlines immer kürzer wurden, entstanden immer mehr Fehler im Bereich Fachtermini. Hinzu kam, dass die Ausgangstexte auf Deutsch bereits so schlecht geschrieben waren (inkonsistente Verwendung und Schreibweise von Fachbegriffen, komplizierte Satzkonstruktionen), dass selbst der beste Übersetzer ohne Glossar und Leitfaden keine Chance hatte, eine gute Übersetzung abzuliefern. Die Schuld dafür suchte der Vorgesetzte allerdings nicht bei sich selbst, sondern bei den Übersetzern, welche immer wieder ersetzt wurden. Mittlerweile ist auch die letzte Übersetzerin in Rente gegangen. Doch auch ihre Stelle wurde nicht wieder ausgeschrieben. Schließlich kann, nach Meinung der Chefetage, jede Abteilung ihre Texte auch selber an freiberufliche Übersetzer weiterleiten. Das Chaos und die entstehenden Fehler waren nun natürlich vorprogrammiert. Allein in der Abteilung des Diplomübersetzers, der diesen Artikel geschrieben hat, läuft es gut, weil er und seine Kollegen mit einem Translation Memory System sowie einem eigenen Glossar arbeiten, das sie dem festen Übersetzerstamm zukommen lassen.
Ein anderes Problem, das vielen Übersetzern und Übersetzungsagenturen zu schaffen macht, sind die Dumpingpreise, zu denen Übersetzungen oft angeboten werden. Dadurch können selbst Übersetzungsunternehmen ihre Übersetzer nicht gut bezahlen, die auf diesen Zug nicht aufspringen möchten und auf Qualität setzen. Denn selbst Auftraggeber, die Wert auf qualitativ hochwertige Übersetzungen legen, sind meistens nicht bereit, das Doppelte der Konkurrenzpreise zu bezahlen.
Auch ich habe die Erfahrung gemacht, als ich für eine Übersetzungsagentur freiberuflich Übersetzungen Korrektur gelesen habe. Der Aufwand dafür war sehr groß, weil nur Übersetzer beauftragt wurden (und grundsätzlich wohl werden), die für einen geringen Zeilenpreis oder Wortpreis arbeiten und daher entweder wenig Aufwand betreiben oder schlecht ausgebildet sind.
Es soll wieder einen Trend in die Richtung geben, dass Unternehmen ihre eigenen Übersetzer in Vollzeit einstellen, die selbst übersetzen sowie Terminologiepflege betreiben und freiberufliche Übersetzer und Übersetzungsagenturen beschäftigen. Für unsere Berufsgruppe und vor allem im Hinblick auf die Qualität der Übersetzungen wäre dies mehr als wünschenswert.
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