In der Literatur wird häufig nur der sprachliche Aspekt der Filmsynchronisierung betrachtet, wodurch die ebenso wichtige kulturelle Umkodierung wegfällt: Kulturelle Verhaltensweisen, nonverbale Kommunikation, die Wirkung von Musik, Geräuschen und Bildern werden in einer anderen Kultur möglicherweise nicht erkannt oder wirken sogar störend, weil der Zuschauer sie zwar wahrnimmt, jedoch nicht versteht.
Eine besondere Schwierigkeit bei der Filmsynchronisierung stellen die vielfältigen Sichtweisen der unterschiedlichen Zuschauer dar, die von Faktoren wie Herkunft, Erfahrungen, Bildung und Alter des Publikums abhängen. Hinzu kommt, dass das Filmbild vom menschlichen Auge nicht als Ganzes erfasst werden kann, und daher jeder Zuschauer den Film und die Filmszenen anders interpretiert. Die Forderung, die Übersetzung müsse so wirken wie das Original, kann daher in diesem Fall nicht umgesetzt werden.
In der Theorie müssten Filmübersetzer also hervorragende Kenntnisse der Ausgangssprachen- und der Zielsprachenkultur besitzen, um das gesamte Potential des Originals zu erkennen und es so in der Synchronisierung zu adaptieren, dass es vom Publikum nicht als störend empfunden wird, sondern seine Neugier auf Neues und Unbekanntes weckt. Dies wird in der Praxis jedoch nicht umgesetzt. Der Verleiher oder die Fernsehstation, welche die Ausstrahlungsrechte für den Film besitzt, vergeben den Übersetzungsauftrag. Der Filmdialog soll zu Beginn möglichst wortgetreu in eine Rohübersetzung übertragen werden. Den Übersetzern als Referenz das Originalvideo bereitzustellen war früher überhaupt nicht üblich, heutzutage wird es hin und wieder gemacht. Diese Rohübersetzung geht an den Synchronregisseur, der zwar gute Sprachkenntnisse, jedoch im Normalfall keine Übersetzerausbildung genossen hat. Dieser versucht die Übersetzung so umzuschreiben, dass sie auf auffällige Lippenbewegungen (Vokalbildung) sowie zu Gestik und Mimik der Schauspieler passt. Gegebenenfalls liest der Auftraggeber diese fertige Übersetzung noch einmal Korrektur und gibt mögliche Änderungswünsche an. Den Synchronsprechern werden nun Filmabschnitte vorgespielt, die sie anhand der Übersetzung in der richtigen Geschwindigkeit sprechen. Diese Aufnahme wird anschließend mit den Geräuschen und der Musik des Originalfilms zusammengebracht und als fertig übersetzter Film geliefert.
Diese Zweiteilung des Übersetzungsprozesses hat oftmals Auswirkungen auf die Qualität der Übersetzung. Es ist relativ selten, dass Rohübersetzer und Synchronregisseur zusammenarbeiten. Außerdem wird in vielen Fällen das Feedback des Testpublikums berücksichtigt, um ein möglichst hohes Einspielergebnis zu erhalten. Dadurch tritt die qualitativ hohe und künstlerische Tätigkeit des Übersetzers in den Hintergrund.
Quelle:
Snell-Hornby, Mary; Hönig, Hans G.; Kußmaul, Paul; Schmitt, Peter A., (2005), Handbuch Translation, Tübingen, Stauffenburg Verlag Brigitte Narr GmbH