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Hanni und Nanni treffen auf Lokalisierung

Generationen von Mädchen und Frauen in Deutschland sind mit den Abenteuern der Zwillingsschwestern Hanni und Nanni im Internat Lindenhof aufgewachsen. Seit Mitte der 1960er Jahre sind fast 30 Bücher erschienen, der Stoff wurde als Anime-Serie, Filmreihe und Hörspiel umgesetzt. Doch die Jugendbücher sind nicht nur wegen ihrer popkulturellen Bedeutung interessant, sondern auch aufgrund ihrer deutschen Übersetzung: Denn es wurde neben der Übertragung der Sprache eine komplette Anpassung kultureller Hintergründe vorgenommen.

Als die britische Jugendbuchautorin Enid Blyton in den 1940er Jahren die Geschichten rund um die Zwillingsschwestern erdachte, siedelte sie die Handlung in einem Internat in Cornwall an. Hanni und Nanni Sullivan heißen im Original Patricia und Isabel O’Sullivan und haben – wie am Namen deutlich erkennbar ist – irische Wurzeln. Quasi alle Namen der Reihe wurden für die deutsche Übersetzung verändert, genauso die Orte und damit verbundene Kulturspezifika. Aus dem anglikanischen Internat „St Clare’s“ der 1940er Jahre wird die Umgebung des deutschen Internats „Lindenhof“ der 1960er Jahre. Technische Gerätschaften, die in den Büchern vorkommen, wurden entsprechend modernisiert.

Aber es sind noch weitere Veränderungen zu verzeichnen: Anstatt der in hiesigen Breiten eher unbekannten Sportart Lacrosse spielen die Lindenhof-Schülerinnen Handball. Bei der Zugfahrt zur Schule verteilt das Zugpersonal im englischen Original „bottles of ginger beer and lemonade, and cups of tea“ – dieser Absatz fehlt in der deutschen Fassung genauso wie die Erwähnung der grauen Schuluniformen.

In Bereichen wie zum Beispiel Software-Übersetzungen ist eine kulturelle Anpassung, eine so genannte Lokalisierung, nicht nur üblich, sondern immens wichtig. Bei literarischen Texten wirkt sie jedoch heutzutage nahezu befremdlich. Doch es gab und gibt immer wieder Fälle, wo genau dies durchgeführt wird. Der Fall von „Hanni und Nanni“ nimmt im Deutschen sogar noch größere Ausmaße an: Bei einem Großteil der Bände handelt es sich nicht mal um Übersetzungen, sondern um rein deutsche Ergänzungsprodukte. Enid Blyton selbst verfasste nur sechs Geschichten. Diese sind in Deutschland als Band 1 bis 4 sowie 11 und 13 erschienen.

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