Im Deutschen gibt es kurze und lange Wörter – und es gibt sehr lange Wörter. Wörter, bei denen man auf den ersten Blick nicht einmal die Partikel unterscheiden kann, aus denen sie zusammengesetzt sind. Das kann für Deutschlerner mitunter problematisch sein, besonders dann, wenn ihre Muttersprache zusammengesetzte Wörter nur bedingt kennt.
Im Englischen beispielsweise sind viele Wörter kürzer als im Deutschen – wir können fast beliebig kombinieren und so lange Begriffe bilden, während im Englischen die einzelnen Bestandteile allein stehen oder mit Bindestrichen verbunden werden. Auch die romanischen Sprachen fassen sich in den meisten Fällen eher kurz.
Das sind die Längsten
Ist man auf der Suche nach besonders langen Wörtern im Deutschen, hilft der Duden weiter. Denn auch wenn wir prinzipiell beliebig viele Substantive aneinanderreihen können, sollte dennoch ein Sinn erhalten bleiben.
Tatsächlich sind es besonders häufig administrative Begriffe, die einen Einzug in den Duden gefunden haben – das „Finanzdienstleistungsunternehmen“ (32 Buchstaben) oder das „Bundesausbildungsförderungsgesetz“ (33 Buchstaben – kein Wunder, dass lieber BAföG geschrieben wird!). Mit 44 Buchstaben führt derzeit die „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“.
Klammert man sich nicht an offiziell in den Duden aufgenommene deutsche Wörter, gibt es Perlen wie das „Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“ (63 Buchstaben) oder die gern zitierte „Donaudampfschiffahrtselektrizitätenhauptbetriebswerkbauunterbeamtengesellschaft“ (79 Buchstaben & im Guinness-Buch der Rekorde verzeichnet). Ersteres gibt es übrigens nicht mehr – die neue Bezeichnung für das Gesetz lautet „Landesverordnung über die Zuständigkeiten für die Überwachung der Rind- und Kalbfleischetikettierung“ – eine bessere Lesbarkeit ist nun gegeben.
Und wer noch mehr Partikel zusammenlegen und besonders lange Wörter schaffen will, kann das in der Chemie oder Medizin tun. Das Protein Titin kommt auf beachtliche 189.819 Buchstaben – allerdings handelt es sich dabei um einen generischen Namen, der vermutlich kaum als richtiges Wort bezeichnet werden kann.
Auch diese Sprachen können lang …
Nicht nur in Deutschland ist es möglich, Wörter zusammenzusetzen. Sprachen wie das Finnische und Ungarische sind agglutinierende Sprachen – hier werden nicht nur Substantive zusammengesetzt, sondern auch Verben etc. Weitere sinngebende Partikel werden einfach an das Hauptwort angehängt.
Die Deutsch-Finnische Gesellschaft hat nach dem längsten finnischen Wort gesucht und mit 61 Buchstaben den „lentokonesuihkuturbiinimoottoriapumekaanikkoaliupseerioppilas“ (einen Flugzeug-Jet-Turbinenmotor-Assistenz-Mechaniker, Unteroffizier, in der Ausbildung) gekürt.
Außerdem gibt es polysynthetische Sprachen – vor allem in Nord- und Südamerika – bei denen sogar ganze Sätze (nach unserem Empfinden) mit nur einem Wort gesagt werden können.
Lange Wörter: Praktisch oder unpraktisch?
Ob lange Wörter praktisch sind, weil so viele Informationen zwischen zwei Leerzeichen passen, oder doch unpraktisch, hängt vom Verwendungszweck ab. In Rechtstexten und der Verwaltung bleibt immer genug Platz für abstruse Gesetzesnamen.
Doch beim Übersetzen – gerade wenn es auf Layouts ankommt – können lange Wörter zu Schwierigkeiten führen. Speziell im Marketing müssen Übersetzer darum regelmäßig abwägen, ob die klassische Schreibweise gewählt wird – oder ob eine Bindestrich-Variante gewählt wird. So wird die Lesbarkeit unterstützt.
Zusätzlich kann gerade im Onlinebereich die Schreibung mit oder ohne Bindestrich auch relevant für Suchmaschinen sein, denn je nach Schreibweise werden teils andere Ergebnisse ausgespielt. Für Online-Marketer oder SEO-Spezialisten hat die Wahl der Schreibung oft strategische Hintergründe, egal ob sprachlich richtig oder falsch.
Zusammensetzung leichter verstehen
Zur besseren Lesbarkeit ihrer Texte bei langen Begriffen nutzen viele Autoren Bindestriche oder Leerzeichen.
Wann überhaupt ein Bindestrich gesetzt werden „darf“, legen die Rechtschreibregeln fest:
- Sollen einzelne Teile des Wortes hervorgehoben werden, kann ein Bindestrich gesetzt werden (Soll-Stärke, Lotto-Annahmestelle)
- Bei Zusammensetzungen ist der Bindestrich oft ein Muss (Wolfgang-Amadeus-Mozart-Platz, Din-A4-Blatt), das betrifft auch Mehrwort-Infinitive, die als Substantiv gebraucht werden und sonst unübersichtlich werden (zum Aus-der-Haut-Fahren). Außerdem gilt die Muss-Schreibung bei Zusammensetzungen mit Abkürzungen, Einzelbuchstaben oder Zahlen (SEO-Spezialist, US-amerikanisch, 100-prozentig)
Fall 1 tritt oft dann ein, wenn es um unübersichtliche oder schlecht lesbare Zusammensetzungen geht. Auch bei fremdsprachlichen Begriffen ist ein Bindestrich oft sinnvoll, genauso wie bei missverständlichen Kombinationen (Druck-Erzeugnis vs. Drucker-Zeugnis) oder dem Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben (Schiff-Fahrt). All das betrifft im Deutschen vor allem Substantive. Verben und Adjektive werden seltener (zulässig) mit Bindestrichen getrennt.
Leichte Sprache: Verzicht auf lange Wörter
Zugegeben: Manche Bindestriche scheinen dem geübten Leser überflüssig. Aber viele Menschen haben tatsächlich Probleme mit komplizierten Begriffen. Schon bei eigentlich kurzen und gängigen Wörtern gibt es Schwierigkeiten, sodass sie durch Leerzeichen getrennt oder mit Bindestrich geschrieben werden (Vor-Name, Haus-Nummer, Computer-Spiel).
Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können oder nur geringe Deutschkenntnisse haben, können durch die Leichte Sprache Texte besser erfassen. Die Nutzung von Leichter Sprache ist also eine Art Inklusionsmaßnahme.
Lange Wörter übersetzen
Wer als Übersetzer tätig ist, sollte immer primär die jeweiligen Gepflogenheiten oder Regeln der Ausgangs- und Zielsprache beachten. Auch wenn Leerzeichen sich mehr und mehr etablieren, um die Lesbarkeit zu verbessern, sind es im Deutschen nach wie vor Bindestriche, die dabei helfen können, lange Wörter sinnvoll zu trennen. Wichtig ist hier vor allem eine einheitliche Schreibweise in allen Dokumenten, die für einen Kunden angefertigt werden. Wenn also eine Bindestrichschreibung möglich ist, sollte diese entweder durchgehend oder gar nicht genutzt werden.
In anderen Sprachen hingegen ist eine Trennung von langen Wörtern nicht möglich. Das ist immer dann problematisch, wenn ein bestimmtes Layout eingehalten werden muss – betrifft aber genauso vergleichsweise kurze Wörter oder Sprachen mit anderen Schriftsystemen. Oft muss man abwägen, welche Übersetzung oder Formulierung sich am besten einpasst.
Quellen:
https://www.dfg-ev.de/news/2352
https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Die-langsten-Worter-im-Duden
https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/bindestrich
Das ist ein sehr interessanter Blog. Ich habe es oft mit der französischen Sprache zu tun, die leider nicht agglutinierend ist. Hier sind Übersetzungen in beide Richtungen demnach eine echte Herausforderung für Profis.