Kennen Sie Hagrid aus „Harry Potter“? Oder Eliza Doolittle aus „My Fair Lady“? Die beiden haben eine Gemeinsamkeit: Sie sprechen nicht in der englischen Hochsprache. Hagrid spricht mit „West Country“-Akzent, also eine Varietät, die im Südwesten Englands gesprochen wird. Die Blumenverkäuferin Eliza Doolittle aus London spricht in typischem Cockney, einem Londoner Regiolekt. So weit, so gut. Ein Übersetzer muss das nicht nur erkennen, sondern auch wissen, wie er damit umgeht. Wie kann man Regionalsprache übersetzen?
Sprache zur Identitätsbildung
Sprachliche Abweichungen können charmant sein, sind aber politisch über viele Jahrhunderte nicht gewünscht gewesen. Luther hat für die Bibel eine deutsche Einheitsübersetzung angefertigt, um die vielen regionalen Varianten abzulösen. In Frankreich wurde nach der Französischen Revolution 1789 die französische Nationalsprache durchgesetzt. Regionale Varianten wie das Okzitanische wurden verboten und durch das Französische ersetzt, was fast zu einem Aussterben dieser Sprache geführt hätte. Jugendliche sprechen anders als ihre Eltern, um sich abzusetzen. Sprache ist also nicht nur ein Mittel zur Kommunikation allgemein, sondern auch ein Zeichen der Zugehörigkeit.
Adäquat Regionalsprache übersetzen
Aber wie übersetzt man einen Regiolekt adäquat ins Deutsche? Und tut man es überhaupt? Zunächst muss also entschieden werden: Soll auch im Deutschen ein Unterschied gemacht werden? Bei Eliza Doolittle war die Antwort einfach. Ja, die sprachliche Differenzierung ist nötig, da andernfalls das ganze Musicals redundant wäre. Im Deutschen hat man sich für den Berliner Dialekt entschieden, in Österreich spricht Eliza gern auch Wienerisch.
Das Problem stellt sich nicht nur bei der Synchronisation, sondern auch bei der verschriftlichen Sprache, also bei Literaturübersetzungen, wie „Harry Potter“. In der deutschen Fassung hat man sich entschieden, den Akzent vom Wildhüter Rubeus Hagrid nicht zu übergehen: Er nutzt häufig umgangssprachliches Vokabular und verschluckt Vokale. Einen speziellen Dialekt kann man ihm im Deutschen aber nicht zuordnen. Das gilt generell für deutsche Literatur und Filme: Dialekte und Akzente werden oft überzeichnet oder suggerieren gar mangelnde Bildung des Sprechers. Beides sind Punkte, bei denen man als Übersetzer vorsichtig sein und die Intention des Originals genau im Auge behalten muss.
Globale Sprachverwirrung ausschließen
Bei einzelnen Personen mag die Übersetzung von sprachlichen Eigenheiten noch sinnvoll sein und ein Unterscheidungsmerkmal darstellen. Treffen aber in Filmen US-Amerikaner auf Briten, Australier auf Ghanaer – sind diese Unterscheidungen in der deutschen Übersetzung wichtig? In vielen Fällen wird nicht explizit darauf eingegangen und oft lässt sich das durch einzelne Wörter (sei es Dia-, Regio- oder Soziolekt) geschickt einbauen. Denn letztlich löst sich das Sprachproblem im Deutschen meist von alleine: Viele Schauspieler haben feste Synchronsprecher, die im deutschen ohne auffällige Eigenheiten sprechen. Treffen dann Charaktere aus unterschiedlichen Ländern aufeinander, fällt uns Deutschen das meist gar nicht auf.