Manche Prozesse sind in uns so automatisiert, dass wir gar nicht daran denken, dass sie diskriminieren können. Beim Schreiben und Übersetzen ist das ebenfalls ein Thema, das mehr und mehr in den Fokus rückt. Sensibles Übersetzen möchte diskriminierende Sprache vermeiden und verhindern. Wie das funktionieren kann, sehen wir im Folgenden.
Diskriminierende Sprache erkennen
Sprache verändert sich. Gerade im Bereich Übersetzungen ist es daher wichtig, mit der Zeit zu gehen und Übersetzungen in verständlicher und auch akzeptierter Sprache zu erstellen. Einige Tabu-Wörter sind den meisten von uns aus dem öffentlichen Diskurs bekannt – sie werden im Alltag nicht genutzt und teils gibt es eine starke Reaktion, wenn es doch geschieht.
Diskriminierung kann sich auf die Ethnizität, Herkunft, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, sexuelle Ausrichtung, aber auch auf körperliche Merkmale wie Körperbau, Gewicht, Krankheiten oder Behinderungen beziehen.
Je nach Autor und Zielgruppe können bestimmte Begrifflichkeiten gängig und bewusst gewählt sein, um einen (achtsamen) Diskurs zu ermöglichen – oder sind unterschwellige – vielleicht sogar vom Autor unerkannte – Zeichen von Diskriminierung. Dies zu erkennen, zu unterscheiden und beim Übersetzen die passende Wortwahl zu finden, ist nicht immer einfach.
Im Rahmen der Terminologiearbeit machen sich Übersetzer beispielsweise Gedanken über:
- Historischen, geografischen, kulturellen, politischen und sozialen Kontext (sowohl den Text als auch den Autor betreffend)
- Persönlichkeit des Autors und die angesprochene Zielgruppe
- Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit zur Beibehaltung diskriminierender Sprache
- Kreative, ggf. auch typografische Lösungen
Dabei geht es auch darum, bestimmte Begriffe nicht zu verharmlosen oder Nuancen zu verdeutlichen.
Einfühlsame Übersetzungen im sozialen Bereich
Ein technisches Handbuch oder eine Patentanmeldung benötigen bestimmte Formulierungen, damit sie verstanden werden oder gültig sind. Und genauso gibt es auch im politischen und sozialen Bereich Begrifflichkeiten, die eher genutzt oder ausdrücklich vermieden werden.
Auch haben nicht alle Sprachen akzeptierte Terminologie für verschiedene Konzepte – in manchen Ländern findet ein gesellschaftlicher Wandel nicht oder anders statt als in anderen. All das müssen Übersetzer bedenken und beachten, wenn sie eine sozialwissenschaftliche Konferenz oder ein Essay übersetzen.
Postkoloniale Literatur übersetzen
Eine besonders starke Berührung mit diskriminierender Sprache bringt postkoloniale Literatur mit sich. Wenn schwarze Autoren tabuisierte Begriffe bewusst benutzen – dürfen sie dann auch mit diskriminierenden Begriffen übersetzt werden?
Viele Übersetzer sprechen sich nach intensiver Beschäftigung mit den Texten und Autoren für „ja“ aus – nutzen allerdings oft kreative Lösungen: So können Wörter im Original beibehalten und kursiv geschrieben werden (s. Mirjam Nuenning bei der Übersetzung von „Kindred“) oder mit einem in der Zielsprache bekannten, ebenfalls diskriminierenden Begriff übersetzt werden (s. Andreas Jandl bei der Übersetzung von „Reise ohne Wiederkehr“).
Übersetzungsentscheidungen werden in heutiger Zeit oft in einem Vorwort zum Buch erklärt, um das Folgende besser einordnen zu können.
Ist sensibles Übersetzen sinnvoll?
Nicht zu diskriminieren und nicht bewusst zu beleidigen ist, in vielen Bereichen sinnvoll. Klar, manch einer polarisiert gern und schert sich nicht um seine Wortwahl – aber auch das tut diese Person meist bewusst.
Ein Bewusstsein für diskriminierende Sprache und Achtsamkeit bei der Nutzung von Sprache generell ist daher wichtig. Das Ausmaß, in dem auf sensible Sprache geachtet wird, kann sich aber je nach Kontext und Zielgruppe unterscheiden. Bei der Überprüfung von Texten auf politisch sensible Sprache hilft beispielsweise das Projekt macht.sprache. – allerdings aktuell nur für die Sprachen Deutsch und Englisch.
Übersetzer, die selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, gehen mit diesem Thema möglicherweise anders um als solche, die keine entsprechenden Erfahrungen machen mussten. Die Rolle von Übersetzern ist nicht nur wichtig für das Verständnis von Texten, sondern kann bereits den Anfang einer Interpretation bieten. Dafür ist die Wortwahl von besonderer Bedeutung. Sprache kann diskriminieren, Diskriminierung verstärken – aber auch den Umgang mit Diskriminierung verändern. Sensibles Übersetzen ist in einigen Branchen und Themenkomplexen daher immens wichtig. LEGINDA unterstützt Sie gern mit muttersprachlichen Fachübersetzungen in verschiedensten Themengebieten.